Sonntag, 8. Dezember 2013

Arbeit im Comedor

Santiago hat gewissermaßen zwei Seiten. Eine reiche und sehr europäisch geprägte Seite und eine, in der die Armut eines großen Teils der Bevölkerung nicht zu übersehen ist. Wenn man will und ein wenig naiv sein möchte, kann man hier in Santiago leben, ohne zu merken, welche Unterschiede innerhalb der Bevölkerung in ein und der selben Stadt herrschen können.
So ging es uns am Anfang. Jedem von uns war klar, dass es diese Armut wohl hier gibt, es wurde uns davor schon ein paar mal gesagt, aber wo man ihr konkret begegnet, das wussten wir nicht so genau. Klar, in der Schule hat man das ein oder andere mitbekommen, man hat Pferdewägen mit Kindern gesehen, die den Müll einsammeln, aber so richtig sind wir der Armut Santiagos wohl erst in dem Comedor begegnet, in dem wir angefangen haben, mit zu helfen. Das Ganze muss man sich so vorstellen: Ein Raum, in dem sich meistens ca. 30 Kinder und einige Mütter tummeln, unglaubliche Hitze und eine Frau, die seit einigen Jahren täglich in den Comedor kommt, um mit den Kindern zu lernen und das Essen verteilt. Und mittendrin, wir, die versuchen, noch unser eigenes Wort zu verstehen und so gut wie möglich mit anzupacken. An Arbeit fehlt es aber definitiv nicht. Zuerst werden die Hefte ausgeteilt, Stifte gespitzt und Texte oder Rätsel aus der Bibel vorgelesen. Langsam kehrt Ruhe ein, und sowohl Mütter als auch Kinder hören gespannt zu, bringen ihr eigenes Wissen ein oder sind damit beschäftigt, einfache Texte der Weihnachtgeschichte zu lesen. Dann folgt ein gemeinsames Gebet, bei dem alle die Augen schließen und für das Essen danken. Nun wird es schon wieder etwas unruhig im Raum, weil alle gespannt sind, was es denn wohl geben wird. Mal sind es süße Backwaren vom Vortag, gespendet von einer Bäckerei, oder ein Würstchen mit einem Wasserbrötchen. Ausgewogenen Ernährung kann man das nicht nennen und manchmal ist es auch leider so, dass das Essen nicht reicht für eine zweite Runde und manche Kinder noch immer hungrig nach Hause gehen.
Kaum haben alle aufgegessen, stürmen die Ersten schon los, um nach Hause zu gehen oder räumen noch schnell auf, drücken dir eine Küsschen auf die Backe und sind dann auch schon verschwunden. Nur ein paar Wenige bleiben noch länger und packen ihre Hausaufgaben aus. Dann heißt es auch für uns mal wieder: dividieren, multiplizieren und subtrahieren. Gar nicht so einfach ohne Taschenrechner.
Zurück im Casa wünscht man sich nur noch eine kalte Dusche, ein Bett und was zu essen, wobei man schon ein komisches Gefühl hat, vor dem gefüllten Kühlschrank zu stehen und sich zu überleben, was man eigentlich essen möchte...

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