Zwei Wochen im Mai haben Lisa und
ich auf dem Campo, in Villa Atamisqui verbracht, was sehr beeindruckend war und
uns nochmal eine ganz andere Seite von Santiago, von Argentinien, ja von
Lateinamerika gezeigt hat. Mit der Ankunft in Atamisqui begann dann auch die
Ankunft in der Realität. Der moderne Reisebus fährt weg und lässt uns irgendwo
im nirgendwo zurück, in einem Dorf, in dem zwar ein paar hundert Menschen
leben, aber das derzeitige Zeitalter noch nicht angebrochen zu sein scheint und
alles irgendwie etwas langsamer und gemächlicher zugeht. Gewohnt haben wir dort
in einem Internat zusammen mit Schülern, die die örtliche Secundaria besuchen
aber eigentlich noch weiter aus dem Hinterland kommen, in dem es aufgrund der
geringen Bevölkerungsdichte keine Schulen gibt. Vom sehr frühen Aufstehen, dass
wir nicht mehr gewöhnt waren, bis zum „Duschen“ mit Brunnenwasser, Eimer und
Tasse, sowie dem extrem, wirklich extrem süßen Mate Cocido zur Merienda – alles
haben wir verwöhnten Stadtmenschen mit den Schülern mitgemacht. In der Schule
haben wir in Mathe und Englisch ausgeholfen, da sehr oft Lehrer fehlen, teils
wetter-, teils krankheitsbedingt, teils ohne bekannten Grund, vor allem jedoch
vom Leben in Deutschland erzählt, was uns nun wirklich schon wie „otro mundo“,
wie eine andere Welt vorkommt. Erneut wurden wir von der Gastfreundschaft der
Argentinier überrascht, so wurden wir mehrmals zum Essen und Mate trinken
eingeladen und haben gelernt, Empanadas zu machen (war nach zehn Monaten auch
wirklich mal an der Zeit!). Die Chicos der Residencia sind dankbar, dass ihre
Eltern es ihnen ermöglichen, die Schule zu besuchen und dort zu wohnen, wo es
ihnen an nichts fehlt, es gibt Wasser, Strom, genug zu essen und zu trinken,
medizinische Versorgung und jemanden zum Reden. Wir haben ihnen bei den Hausaufgaben
geholfen, mit ihnen Kekse gebacken, gebastelt und Armbänder geknüpft – was eine
willkommene Abwechslung zum täglichen Telenovela schauen und Fußball spielen
gewesen zu sein schien. Was uns dort jedoch am meisten gefallen hat, war zu
sehen, mit wie wenig die Menschen glücklich und zufrieden sein können,
wahrscheinlich glücklicher als diejenigen, die im Überfluss leben, und diesen
nicht zu schätzen wissen. Man wird sich darüber klar, worauf es im Leben
ankommt, was das wirklich Wichtige und Notwendige ist.
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