Sonntag, 4. Mai 2014
Donnerstag, 1. Mai 2014
Dienstag, 25. März 2014
Equinoterapia Solidaria
Seit Dezember helfen meine Mitfreiwillige Eva und ich ca. einmal pro Woche bei einer Reittherapie für Menschen mit Behinderung, vor allem jedoch Kinder mit. Die Nähe zu den Tieren dient zur Entspannung, zum Lernen und zur sozialen sowie persönlichen Entwicklung. Um die Therapie richtig durchführen zu können, werden viele Helfer benötigt: Einer, der das Pferd führt, zwei zur Begleitung an den Seiten und ein Therapeut. Wir helfen dort sehr gerne, machen interessante Erfahrungen und die Natur ein Stück außerhalb der Stadt ist auch für uns sehr wohltuend.
Besitos desde Santiago !
Samstag, 8. März 2014
Lesenswerter Artikel zur aktuellen wirtschaftlichen Situation Argentiniens
AUSLAND
A R G E N T
I N I E N
Angst vor
"Argenzuela"
Eine rasende
Inflation und 500 Streiks in einem Monat:
Argentinien
fürchtet sich vor einer politischen Krise wie in
Venezuela.
VON
Ralf Pauli
|
08. März
2014 - 12:03 Uhr
In welchem
Land der Welt würden Gewerkschafter eine Gehaltserhöhung von 31 Prozent ablehnen,
auch wenn sie stufenweise erfolgen soll? So viel hatte die argentinische Regierung
den Lehrern im Land zuletzt geboten, um einen angedrohten 72-Stunden-Streik zu
verhindern. Vergeblich. Seit Mittwoch fällt für rund sechs Millionen Kinder und
Jugendliche in Argentinien die Schule aus.
Das
Regierungsangebot bezeichnen die fünf Lehrergewerkschaften als
"inakzeptabel". Sie fordern zwischen 42 und 61 Prozent mehr Lohn.
"Das Angebot der Regierung wäre gut, wenn Argentinien Deutschland
wäre", schreibt Joaquín Morales Solá, Kolumnist der Tageszeitung La Nación
und bekannter Regierungskritiker. "Der Unterschied ist, dass man hier
nicht weiß, wie stark die Inflation in den nächsten 60 Tagen steigt."
Tagtäglich
bekommen die Argentinier derzeit zu spüren, wie schnell der Peso an Wert verliert.
Im Januar sind die Lebensmittelpreise in der Hauptstadt Buenos Aires so stark gestiegen
wie zuletzt vor 14 Jahren, um über fünf Prozentpunkte. Die Regierung musste den
Supermärkten für 193 Produkte "eingefrorene" Preise verordnen. Die
Tickets für U-Bahn und Stadtbusse in Buenos Aires haben sich in den vergangenen
zwei Jahren verfünffacht. Und in vielen Läden in der Hauptstadt sieht man schon
keine Preisschilder mehr.
Sieben Jahre
lang hat die Regierung die hohe Inflation bestritten und geschönte Statistiken veröffentlicht.
Die Forderungen der Lehrer sind daher ein guter Maßstab dafür, wie die Inflation
von derzeit 30 Prozent die Löhne entwertet. Da klingt es für viele Argentinier
wie Hohn, dass ihre Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner das Thema
totschweigt. Vor einer Woche eröffnete Kirchner feierlich die neue Sitzungssaison
des Parlamentes. Drei Stunden lang skizzierte sie vor Abgeordneten und
Senatoren die Erfolge ihrer Regierung. Der Verfall des Geldwerts kam darin
nicht vor.
Argentinien
hat die zweithöchste Inflationsrate des Kontinentes. Nur in Venezuela liegt sie
höher. Das lässt befürchten, Argentinien könnte in eine ähnlich schwere
politische Krise stürzen wie derzeit Venezuela, mit landesweiten Protesten,
ausufernder Polizeigewalt, Toten und zwei politischen Lagern, die sich
unversöhnlich gegenüber stehen. Ihrer Angst vor venezolanischen Verhältnissen
haben argentinische Social-Media-Nutzer auch schon einen Namen gegeben:
#argenzuela.
Erst im
Dezember Tote und Plünderungen
Bislang sind
die Lehrerstreiks friedlich verlaufen. Doch wie berechtigt die Ängste vor einer
Eskalation sind, haben die Argentinier im Dezember erlebt, als das Land gerade
die Rückkehr zur Demokratie vor 30 Jahren feierte. Während die Regierung in der
Hauptstadt Lobesworte für den Friedenswillen der Argentinier fand, wurden in
der zweitgrößten Stadt des Landes, Córdoba, Supermärkte und Geschäfte
geplündert. Die Polizisten gingen dort nicht mehr auf Streife, um so ihren
Forderungen nach einem doppelt so hohen Lohn Nachdruck zu verleihen.
Nach den
ersten zwei Toten ging der Provinz-Gouverneur José Manual de la Sota auf alle
Forderungen der Polizisten ein. Damit begann eine Erpressungsrunde durch fast
alle Provinzen. Überall hat die Polizei ihre Forderungen durchgesetzt. Für die
Plünderungen und die insgesamt neun Toten hat sie keiner verantwortlich
gemacht.
5.000
Streiks in einem Jahr
Das soziale
Konfliktpotenzial in Argentinien ist enorm, und die andauernde Inflation ist
ein Grund dafür. Die andere ist die steigende Armut, die selbst die
traditionell regierungsnahe Gewerkschaft CGT (Confederación General del Trabajo
de la República Argentina) anprangert. Über zwölf Millionen Argentinier leben
nach der aktuellen CGT-Studie unterhalb der Armutsgrenze. Das ist jeder Vierte.
Allein im Januar sollen 500.000 Personen unter die Armutsgrenze gerutscht sein.
Im Februar
kam es landesweit zu 519 Straßenblockaden ("piquetes"), die
traditionelle Protestform der Gewerkschaften. Mit brennenden Reifen legten sie
den Hauptstadtverkehr oder die wichtigen LKW-Routen lahm, auf denen die
Exportprodukte Soja, Weizen oder Mais zum Hafen nach Buenos Aires transportiert
werden. Im vergangenen Jahr zählten Forscher insgesamt 5.767
Blockaden. Die Opposition behauptet, dass die Stadt Buenos Aires dadurch umgerechnet 43 Millionen Euro an
Einnahmen verlor.
Nun steht
dem Land möglicherweise eine weitere, noch größere Streikwelle bevor: Sollten die
Lehrer ihre hohen Lohnforderungen durchsetzen, würden andere Gewerkschaften dasselbe
fordern, schätzten Beobachter. Davor fürchtet sich die Regierung, die in den
vergangenen drei Jahren die Hälfte der Zentralbankreserven für Schuldendienste,
Energieimporte und Stützkäufe ausgegeben hat, um den Argentinischen Peso zu
stabilisieren. Bereits vor zwei Jahren sah sich die Regierung gezwungen, den uneingeschränkten
Kauf ausländischer Devisen zu verbieten. Zu viele Argentinier hatten ihre Peso
in US-Dollar getauscht. Seitdem es die "Fußfessel" (Cepo) gibt, ist der
Tauschkurs auf dem Schwarzmarkt in die Höhe gesprungen.
Um die
Haushaltskassen zu sanieren, hat Kabinettschef Jorge Capitanovich schon angekündigt,
die staatlichen Subventionen für Strom- und Transportpreise zu kürzen. Eine Zusatzsteuer
von 35 Prozent auf Käufe von Bürgern und Unternehmern im Internet soll wieder
Geld in die Staatskassen bringen – und die heimische Wirtschaft stärken.
Letztes
Regierungsjahr für Fernández
Der
Gewerkschaftsdachverband Central de Trabajadores de la Argentina (CTA) rief für
kommende Woche zum Generalstreik auf. An den Ergebnissen des Lehrerstreiks
werden die eigenen Forderungen abgesteckt.
Argentinien
ist müde geworden von einer Regierung, die die sozialen Konflikte nicht befrieden
und die Entwertung des Geldes nicht aufhalten kann. Bei den vergangenen Parlamentswahlen
im Oktober hat die regierende "Frente para la Victoria" (FPV) eine Schlappe
in allen wichtigen Provinzen hinnehmen müssen, unter anderem in der Stadt Buenos
Aires, in der erneut die Oppositionspartei PRO gewann, und in der gleichnamigen
bevölkerungsreichen Provinz. Dort gewann ein früherer Mitstreiter der
Präsidentin, Sergio Massa, der jetzt als aussichtsreichster Kandidat für
Präsidentschaftswahlen 2015 gilt.
Bis dahin
muss Fernández, die bereits zweimal amtierte und nicht erneut antreten darf, das
Erbe des Kirchnerismus verteidigen. Aber auch sie scheint müde geworden zu
sein, mit den sozialen Gruppen streiten zu müssen. Nach einer längeren Auszeit
im fernen Patagonien musste Fernández Gerüchte über ihre schlechte Gesundheit
entkräften. Und als sich vergangene Woche der Lehrerstreik abzeichnete, klagte
Fernández vor dem Parlament: "Es kann nicht sein, dass der Schulbeginn
jedes Jahr von Gehaltsdebatten torpediert wird. Oft fühlt man sich wie eine
Geisel, weil die Kinder ja zur Schule gehen müssen."
Die Gehälter der Lehrer zählen mit umgerechnet 315 Euro im Monat zu den
niedrigsten des Landes. LKW-Fahrer und Polizisten verdienen drei- bis viermal
so viel. Die Regierung verurteilt die Streiks dennoch als
"Gewaltmittel". Für die bevorstehenden Generalstreiks hat die
Regierung vorsorglich schon mal die Anzahl der Polizeikräfte im Großraum Buenos Aires
verstärkt. Bezahlt werden sie jetzt ja besser.
COPYRIGHT:
ZEIT ONLINE
ADRESSE:
http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-03/Argentinien-Streik-Lehrer-Krise-Unruhen-Angst-
Venezuela
Montag, 24. Februar 2014
Auszüge aus meinem Zwischenbericht
Erwartungen
Bevor ich in Argentinien ankam,
wusste ich noch nicht besonders viel über die Kultur und die Menschen, die hier
leben, hatte jedoch dank unserer Vorgänger eine grobe Vorstellung davon. Beispielsweise
hatte ich mir nicht vorgestellt, dass es hier, neben vielen Armen, auch sehr
viele sehr Reiche gibt. Genauso wusste ich bereits, dass es große Armut gibt,
jedoch kannte ich nicht die Geschichten, Namen und Schicksale der Betroffenen
und wusste nicht, wie sich diese tatsächlich äußert. Eventuell hatte ich zu
hohe Erwartungen und Ansprüche an mich selbst, was z.B. den Erfolg beim
Unterrichten angeht, wobei ich vorher auch keine Vorstellung davon hatte, wie
das Schulniveau und das Lernverhalten der Schüler sind. Dennoch hatte ich nicht
die Illusion, mit meinem Dienst „die Welt verbessern“ zu können, und ich bin
zufrieden damit, mit meinem Einsatz meinen Anteil beizutragen.
Arbeit
Meine Arbeit teilt sich auf zwei
Einsatzstellen auf, die Grundschule Santiago Apóstol, in der ich montags,
mittwochs und freitags jeweils am Nachmittag bin, und die weiterführende Schule
Pio XII, in der ich dienstags und donnerstags vormittags bin.
In der Grundschule begleite ich
häufig die Klassenlehrerin des 7° grado, die sozusagen meine Tutorin ist, die
sich immer um mich kümmert und mit der ich über alles sprechen kann. Vor allem
im Fach Englisch versuche ich, mich einzubringen, so habe ich bereits gemeinsam
mit der Englischlehrerin Unterricht vorbereitet und eine Einheit zum Thema
„Unregelmäßige Verben“ gestaltet. In mehreren Klassenstufen hatte ich die
Gelegenheit, ein paar Grundlagen in Deutsch zu unterrichten und von Deutschland
zu erzählen, was von den Schülern mit großem Interesse aufgenommen wurde. Vor
Weihnachten habe ich mit einer Klasse im Musikunterricht ein deutsches
Weihnachtslied gesungen und einer anderen im Religionsunterricht das Vater
Unser auf Deutsch beigebracht. Auch in der ersten Klasse konnte ich die
Lehrerin unterstützen, indem ich einzelnen, schwächeren Schülern beim
Abschreiben und dem Erledigen der Aufgaben geholfen habe.
In Pio XII bestanden meine
Tätigkeiten hauptsächlich darin, bei der Sekretariatsarbeit zu helfen, als
Vertretungslehrerin Englisch zu unterrichten und die Arbeit meiner Vorgängerin
fortzuführen, indem ich die Schulbibliothek ordnete.
Da im Dezember bereits die
Schulferien begonnen haben, arbeitete ich ein paar Wochen in der Verwaltung und
Buchhaltung unserer Organisation mit, packte in einer Suppenküche mit an beim
Kochen, Austeilen des Essens sowie der Kinderbetreuung, und half, zusammen mit
einer Mitfreiwilligen, bei der „Equinoterapia Solidaria“, der Reittherapie für
Kinder mit Behinderung, was ich auch im zweiten Halbjahr neben den Aktivitäten
in den Schulen weiterführen werde.
Kultur und Rolle
Was mir bezüglich der Kultur hier
in Argentinien besonders leicht fällt, ist mit den Menschen in Kontakt und ins
Gespräch zu kommen, da auf beiden Seiten großes Interesse besteht und so offen
aufeinander zugegangen wird. Auch hatte ich keinerlei Schwierigkeiten damit,
mich auf kulturelle Unterschiede einzulassen – zu Beginn, als es mit der
Sprache noch ein wenig gehapert hat, habe ich vor allem aufmerksam beobachtet
und dadurch schon viele Differenzen wahrgenommen. Dennoch war es nicht einfach,
auch die Gründe und Zusammenhänge, die dahinterstecken, zu begreifen. Dieser
Prozess hat bei Weitem länger gedauert und ist nun, nach einem halben Jahr,
gewiss noch nicht abgeschlossen. Es fällt nicht nur leicht, sondern macht
besonders viel Spaß, sich von der lateinamerikanischen Lebensfreude und
Gelassenheit mitreißen zu lassen und manche „typisch deutschen“ Gewohnheiten
abzulegen, z.B. das ständige Planen im Voraus. Des Weiteren ist es ein
wunderschönes Gefühl, die unglaubliche Gastfreundschaft der Santiagener
anzunehmen und daraus zu lernen – „Wenn man hier zu jemandem nach Hause kommt,
der nichts hat, außer einem kleinen Stückchen Brot, dann wird er es dir, seinem
Gast, geben“. Sehr begeistert bin ich auch von den Festen, der Musik,
insbesondere der Folklore, und dem typischen Essen, von Asado bis Empanadas,
denn mit all diesem identifizieren sich die Argentinier, was ein starkes Gefühl
der Heimat und der Gemeinschaft entstehen lässt.
Was vermutlich jedem schwerfällt,
der nicht daran gewöhnt ist, ist die Anpassung an die klimatischen Bedingungen,
insbesondere an die Hitze: So ist Santiago del Estero eine der zehn heißesten
Städte der Welt. Und damit hängen weitere kulturelle Umstände zusammen, zum
Beispiel die tägliche Siesta, die hier nicht nur zwei, sondern fast fünf
Stunden geschlafen wird, ein stückweit vermutlich auch die gelassene
Grundeinstellung der Menschen, was wiederum den Umgang mit der Hitze
erleichtert. Mal ist es schwieriger, mal einfacher, mit dem südamerikanischen
Zeitverständnis klarzukommen – einerseits ist es schön, zu spät kommen zu
dürfen, ohne dass sich jemand deshalb beschwert, andererseits muss man
natürlich auch mit längeren Verspätungen der Anderen rechnen. Was auch manchmal
schwerfällt, ist mit der Direktheit der Argentinier umzugehen: Mal wird einem
direkt ins Gesicht gesagt, dass man ja schon ziemlich zugenommen hat, mal
bekommt man nur durch die Blume von der Direktorin gesagt, was man tun und
lassen soll.
Wo ich an meine Grenzen stoße,
ist wenn ich direkt mit der Armut, Drogen- und Gewaltproblemen oder sonstigen
Missständen konfrontiert werde, da dies in mir ein Gefühl der Ohnmacht auslöst.
Diese Ungerechtigkeiten werfen tausend Fragen auf, die größte und schwerste ist
die Frage nach dem Warum: Warum gibt es so extreme Ungleichheiten? Warum müssen
manche Menschen ohne Zugang zu Trinkwasser und Elektrizität leben, während sich
andere gerade einen neuen Porsche kaufen? Warum lassen sich Menschen von der
Regierung an der Nase herumführen? Wie kann es sein, dass in einer
demokratischen Republik Menschen der Mund verboten wird und jemand, der sich
gegen die Regierung äußert, deshalb seinen Job verliert? Und wie schaffen es
diejenigen Menschen hier, die fast nichts haben, voller Hoffnung zu sein und
für das Wenige, das ihnen gegeben ist, so unglaublich dankbar zu sein? Warum
wissen wir unsere Reichtümer kaum zu schätzen und wollen immer noch mehr haben,
ohne uns jemals zufrieden zu geben? Warum trägt hier kaum jemand einen Helm,
wenn er Motorrad fährt? Warum schnallt sich beim Autofahren niemand an? Warum
liegt überall Müll herum? Warum bekommen hier zweijährige Kinder Cola zu trinken?
Warum verzichten Menschen auf Essen, um sich ein Smartphone als Statussymbol
leisten zu können? Warum fällt so oft der Unterricht aus und weshalb gibt es
unzählige Feiertage, an denen nicht gearbeitet wird? Warum sind Beamte
bestechlich und warum sehen Polizisten dabei zu, wenn sämtliche Verkehrsregeln
gebrochen werden? Warum ist es ein normaler Zustand, dass 16-jährige Mädchen
zum zweiten Mal schwanger werden? Warum scheint dieses Land wirtschaftlich den
Bach hinunter zu gehen und von einer Krise in die nächste zu stürzen?
Es irritiert immer wieder aufs
Neue, dass riesige Villen direkt neben Bruchhütten stehen, in denen sich 15
Menschen zwei Zimmer teilen, wie viele junge Mütter in der Öffentlichkeit
stillen, dass scheinbar alles in Raten bezahlt wird, welche Bedeutung hier die
Verehrung von Heiligen, insbesondere von Maria, einnimmt und wie wenig
selbständig und wie abhängig vom Elternhaus der Großteil der jungen Leute hier
ist. Auch ist es ungewohnt, wie mit sozialen Netzwerken umgegangen wird, da es
scheinbar ein anderes Verständnis von Privatsphäre gibt, und wie freizügig die
Mode in einem eigentlich sehr katholischen Land sein kann.
Meiner Meinung nach geschieht
Annäherung in jedem Gespräch, jedes Mal, wenn ich etwas mehr über die Kultur
hier erfahre und etwas von meiner eigenen Kultur erzählen kann, was auf beiden
Seiten den Horizont erweitert und hoffentlich voreilig gefasste Meinungen
abbauen kann.
In der Anfangsphase, als alles
noch so unbekannt und neu war, hatten wir das große Glück, dass uns mit
unglaublich viel Geduld und Verständnis begegnet wurde und wir genug Zeit
hatten, richtig anzukommen und uns einzugewöhnen – an das Klima, die Sprache,
die Stadt, die Menschen. Wir wurden von den Mitarbeitern unserer Organisation,
aber auch vom Freundeskreis unserer Vorgänger willkommen geheißen und hatten
viele Einladungen, sodass wir schnell aufgenommen wurden und Anschluss finden
konnten. Nur manchmal wurde ich ins kalte Wasser geworfen, als ich z.B. in der
Schule alleine vor eine Klasse gestellt wurde, ohne gesagt zu bekommen, was und
mit welchen Materialien man unterrichten soll.
An der Mentalität der Argentinier
begeistern mich die Werte der Gemeinschaft und des Teilens, wie sie in
Deutschland vielleicht als Ideale existieren, nach denen jedoch kaum einer
lebt. Am besten symbolisiert werden diese für mich durch den Mate, der den
Alltag der Menschen hier begleitet und der immer mit Freunden, Familien,
Arbeitskollegen, aber auch mit Fremden oder Neuankömmlingen, wie wir es waren,
geteilt wird – so fühlen sich alle verbunden und dazugehörig. Was gerade für
uns, die wir über Jahre hinweg an einen Schulalltag mit enormem Leistungsdruck
gewöhnt waren, angenehm und eine willkommene Abwechslung ist, ist die
Abwesenheit eben jenen Anspruchs, an dessen Stelle die Akzeptanz und Gewohnheit
des „no hacer nada“, des Nichtstuns, steht. Ganz besonders beeindruckt bin ich
von der großen Bedeutung des Familienlebens und dem damit verbundenen
Zusammenhalt der einzelnen Familienmitglieder. Andererseits hängt damit jedoch
auch zusammen, dass viele junge Menschen sehr wenig bzw. nur langsam lernen,
selbständig zu werden und vom Elternhaus unabhängig zu sein. Was ich an der
südlichen Mentalität ebenfalls toll finde, ist die Improvisationskunst und die
Spontanität, da einem so gezeigt wird, dass es nicht immer nötig ist, alles
genau im Voraus zu planen, da schlussendlich sowieso alles anders kommt, als
man es sich vorstellt und man somit mehr den Moment, mehr im Hier und Jetzt
leben kann. Worin sich die Grundeinstellung der Südamerikaner vermutlich am
meisten von der der Europäer unterscheidet, ist das andere
Verantwortungsbewusstsein. Insbesondere bezüglich des Umgangs mit der Umwelt
ist mir dies aufgefallen: Während wir es beispielsweise gewöhnt sind, in
Deutschland den Müll stets in Restmüll, Kompost, Papier, Plastik, Glas etc. zu
trennen und zu entsorgen, gibt es hier, wenn der Abfall gerade nicht in den
Straßengraben geworfen wird, nur Mischmüll. Gleichermaßen geht kaum jemand
sparsam mit Strom um und obwohl die Menschen die Armut und den Hunger sozusagen
direkt vor der Haustür haben, wird Tag für Tag Essen weggeschmissen. Für Themen
wie Umweltschutz, gesunde Ernährung und Sicherheit im Alltag, vor allem im
Straßenverkehr, gibt es hier keine bzw. nur sehr sporadisch Sensibilisierung
oder Versuche, Bewusstsein dafür herzustellen. Auch wird meines Erachtens
weniger verantwortungsvoll sich selbst und der eigenen Gesundheit gegenüber
umgegangen, was z.B. ausgewogene Ernährung, Zahnhygiene und das Einnehmen von
teilweise sehr starken Medikamenten betrifft. In den Schulen sowie in Familien
habe ich den Eindruck, dass die Kinder mit mehr Gelassenheit erzogen werden,
dass sie mehr Freiräume bekommen als in Deutschland üblich und mehr geduldet
wird.
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